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von Sabine Reichelt 29 Mai, 2023
Vielleicht müssen Sie schmunzeln, wenn Sie das Foto anschauen? Die Aufforderung, sich am Handlauf festzuhalten, scheint etwas unsinnig - wir wissen doch, wofür so ein Handlauf da ist! Es scheint mir ein gutes Sinnbild dafür zu sein, in welcher Verfassung wir sind, wenn wir vor Schock und vor Schmerz "außer uns" sind. Dann brauchen wir Hilfe und Unterstützung für die scheinbar einfachsten Dinge. Unser Hirn ist auf Not-Betrieb eingestellt, wir funktionieren eben nicht mehr automatisch. Dann könnten wir auch ein solches Hinweisschild brauchen, dass uns darauf hinweist, dass wir uns festhalten sollen, wenn wir die Treppe hinauf- oder hinabgehen. Und da, wo solche Schilder nicht hängen, passen hoffentlich liebe Menschen auf uns auf. Das wünsche ich Ihnen und mir.
02 Jan., 2023
Eva Strittmatter Anbeginn Mein Leben setzt sich zusammen: Ein Tag wie dieser. Ein anderer Tag. Glut und Asche und Flammen. Nichts gibt es, was ich beklag. Früher habe ich so gefühlt: Irgendwas Großes wird sein. Inzwischen bin ich abgekühlt: Es geht auch klein bei klein. Was soll schon Großes kommen? Man steht auf, man legt sich hin. Auseinandergenommen, Verlieren die Dinge den Sinn. Doch manchmal sind solche Stunden Von Freiheit vermischt mit Wind. Da bin ich ungebunden Und möglich wie als Kind. Und alles ist noch innen In mir und unverletzt. Und ich fühle: gleich wird es beginnen, Das Wunder kommt hier und jetzt. Was es sein soll? Ich kann es nicht sagen Und ich weiß auch: das gibt es gar nicht. Aber plötzlich ist hinter den Tagen Noch Zukunft ohne Pflicht. Und frei von Furcht und Hoffen Und also frei von Zeit. Und alle Wege sind offen. Und alle Wege gehn weit. Und alles kann ich noch werden, Was ich nicht geworden bin. Und zwischen Himmeln und Erden Ist wieder Anbeginn. Aus dem insel taschenbuch 4928 "Lektüre zwischen den Jahren"
von Sabine Reichelt 07 Sept., 2022
Ich kann nicht einmal sagen, die Monate seien schnell vorüber gegangen - so war mein Gefühl gar nicht. Nein, jeder einzelne Tag hatte eine normale Länge und ich erinnere mich an das Meiste auch ziemlich genau. Und dennoch war ich erstaunt, dass jetzt September ist und ich die ganze Zeit keinen Blog geschrieben habe. Ich schließe daraus, dass mich meine eigenen Themen umgetrieben haben müssen - und so war es auch. Und die Selbstfürsorge, die ich BesucherInnen anempfehle, musste ich tatsächlich in diesen Monaten mir angedeihen lassen. Auf meinem Balkon konnte ich verfolgen, wie die Sonne am Himmel emporstieg, wie sie tagelang vom Zenit nicht nur schien, sondern sogar brannte und alles austrocknete, und erlebe jetzt, wie der Schatten schon wieder zunimmt und die Sonne an Schärfe verliert. Und es mischen sich die vor Trockenheit herab gefallenen Blätter nach und nach mit dem naturgemäß fallendem Laub des Herbstes. Verrückt. Das Gefühl, die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren - was sage ich da? Hat man sie denn jemals besessen? - also dieses Gefühl des Kontrollverlustes ist abscheulich und Angst einflößend. Kopf und Bauch im Widerstreit. Bis wir aufgeben und es begreifen. Begreifen, dass wir unser Leben eben NICHT kontrollieren können. Wir haben zu nehmen, was uns serviert wird. Punkt. Eine herbe Lektion!
von Sabine Reichelt 07 Sept., 2022
von Sabine Reichelt 16 Jan., 2022
Ich schaue mir das Foto genau an und fühle, wie mir beim genauen Betrachten der gefrorenen Blattränder kleine Kälteschauer über den Rücken laufen. Der Eisrand ist so fein, so genau, aber auch so spitz, so scharf. Woran es wohl liegen mag, dass sich Eis nur am Blattrand bildet? Was wird nach dem Frost mit dem Blatt passieren? Während mein Geist diesen Fragen noch etwas nachhängt, taucht in mir gleichzeitig die Erinnerung an eine wunderschön gestaltete Briefkarte auf, die meine Schwester mir geschickt hatte und die folgenden Text trug: "Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt." (Camus) Ich erinnere mich an mein Erstaunen über diesen Satz. Auf den ersten Blick schien das alles so gar nicht zueinander zu passen. Doch je öfter ich ihn leise vor mich hinmurmelte, desto weiter wurde mein Inneres, desto tröstlicher fand ich ihn. Es dauerte nicht sehr lange, bis ich diesen Sommer in mir ahnen konnte. Diese Entdeckung machte mich froh. Und gelassen. Und bereit auch für zukünftige Herausforderungen des Lebens.
von Sabine Reichelt 19 Sept., 2021
Was haben wir hier im Südwesten gerade für herrliche Spätsommertage! Wenn jedoch am Abend die ohnehin schon tiefer stehende Sonne verschwindet, wird es schnell kühl und draußen Sitzen geht nur noch mit dicker Jacke oder einer kuscheligen Decke. Kommenden Dienstag ist Tag- und Nachtgleiche. Ab dann werden die Tage kürzer, die Sonne geht noch früher unter, und wir nähern uns jeden Tag den Abenden, die dunkel, kalt und unter Umständen einsam sind. Das umtriebige Geschehen auf den Straßen kommt ein Stück weit zum Erliegen, auf den Balkons und Terrassen rund um uns herum wird abends nicht mehr fröhlich zusammen gesessen und das Gelächter dringt nicht mehr in unseren Wohnraum. Wir müssen so langsam unsere Antennen auf unsere Mitmenschen ausrichten, um die Abende zu gestalten: das Verlassen der gemütlichen Wohnung am Abend wird um so vieles schwerer, wenn das Wetter nicht mitspielt und es bereits dunkel ist. Aber lassen wir uns einladen von den Programmen der Bildungswerke oder schauen, ob uns ein Film im Kino interessiert! Oder wir laden Freund oder Freundin zum Essen zu uns ein - oder auf einen Tee, es muss ja nicht immer etwas Aufwändiges sein. Wir können es ja so steuern, wie es für uns passend ist! Ich sortiere in der dunkleren Jahreszeit gerne meine Fotos. Halte Rückblick und sortiere schon mal das für mich Wichtigste vor, um am Silvesterabend mein Jahrbuch zu gestalten. Und viele Bücher, die ich mir bestellt hatte, warten darauf, endlich gelesen zu werden. Vielleicht entdecken Sie ja das Briefe schreiben wieder oder oder oder .... Für diese Zeiten wünsche ich Ihnen jede Menge Inspirationen!
von Sabine Reichelt 16 Aug., 2021
Mit Sonne assoziiere ich automatisch Wärme, Helligkeit und ein angenehm wohliges Gefühl. Doch das kann umschlagen: die Hitze kann mir zu viel werden, die Helligkeit kann mich blenden, ich fühle mich unwohl. Wie viel Schutz ich brauche, damit das Angenehme mir nicht unangenehm wird, muss ich selber austarieren. Ob es der Schatten unter einem Baum ist oder ob ich das Haus gar nicht mehr verlasse, muss ich selber entscheiden. Ob mir ein Sonnenhut reicht oder ich eine stark verdunkelnde Sonnenbrille kaufen muss, kann auch nur ich selber erfühlen. Wie überhaupt meine Grenzen: was tut mir wohl, wo fängt es an, anstrengend zu werden? Kann ich das ändern? Will ich das ändern? MUSS ich das FÜR MICH ändern? In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns dauernd. Unsere Grenzen verändern sich - sie werden eng, wenn wir uns verletzlich fühlen. Sie werden weit, wenn wir gut in unserer Kraft sind und gut für uns sorgen.
von Sabine Reichelt 03 Juni, 2021
Auf diesem Foto sehen wir eine Ruine - drei Wände eines einst herrschaftlichen, mehrstöckigen Hauses stehen noch, mussten gegen Umfallen gesichert werden. Die Fenster geben den Blick frei auf einen fast makellos blauen Himmel., obwohl sie ihrer Funktion enthoben wurden. Durch das Fehlen von Dach und vierter Wand, ist es im Innern genau so wie im Außen - Sonne, Regen und Kälte können ungehindert und ungebremst einfallen und sowohl wärmen und trocknen als auch den Verfall weiter voran treiben. Es ist die vollkommene Schutzlosigkeit des Innenraums, die mich anrührt. Kann ich ihn überhaupt noch als Innenraum definieren, denn dabei beziehe ich mich ja auf mir bekannte Formen eines Hauses? Nein, Schutz findet man in diesem Haus nicht mehr. Ist das vielleicht die Beschreibung eines Zustandes, den wir nach schweren Erschütterungen erleben? Dass wir keinen Schutz in uns selber mehr haben, dass wir den Geschehnissen ausgeliefert sind?
von Sabine Reichelt 06 Apr., 2021
Was hatten wir unlängst für schöne Sonnentage! Nach dem Winter und im steten Stress des Corona-Lockdowns kamen mir diese Tage wie gerufen und waren im Wortsinn Quell für eine bessere innere Verfassung. Obwohl erst März fand ich zu meiner großen Freude unter den vollkommen braunen, vertrockneten, alten Wedeln der Farnpflanzen bereits die Anlagen für frische, grüne Wedel. Sie wirken unscheinbar, gräulich und sind nicht mehr als kleine Erhebungen nahe am Wurzelballen. Aber noch ein paar Sonnentage mehr und die Farnblätter entrollen sich - wie auf dem Foto. Es ist unglaublich und wunderbar anzusehen. Das ist doch eine schöne Analogie zu unserem Leben: selbst wenn wir im Außen gar nicht wir selbst sind - aus was für Gründen auch immer: im Verborgenen schlummern die Teile, die uns bei voller Kraft sehr wohl zur Verfügung stehen. Unter den richtigen Bedingungen beginnen sie, sich zu entrollen und zu entfalten. Und was diese Bedingungen sein können, ist vielfältig: eine Gesundung, eine Trauer ist nicht mehr so brüllend schmerzhaft und wir sind vielleicht erschöpft oder können langsam der großen Veränderung folgen, wir erfahren Liebe und Zuneigung .... Dann können diese Teile von uns anfangen, sich zu entfalten. Was für ein Wunder.
von Sabine Reichelt 04 Apr., 2021
Das Licht der Wintersonne ist nicht so grell, so scharf umrissen - eher etwas milchig und dennoch wärmend. Das Licht tut uns gut, es ist im besten Sinne des Wortes ein Lichtblick! Es kündet vom Ende des Winters und es kann mir passieren, dass ich so beflügelt davon bin, dass ich mich schon im nächsten Straßencafé sitzen sehe .... Ach - da war doch was? Menschenskinder, wir befinden uns ja immer noch im Lockdown! Enttäuschung macht sich in mir breit. Aber der Gedanke an draußen Sein und draußen Sitzen hat mein Herz so gefangen genommen und mich so beflügelt, dass in mir Pläne und Visionen von Thermoskanne, Becher und Brötchen auf einer Parkbank entstehen. Ja, das könnte gehen. Und mit diesem Gedanken geht es mir sofort ein bisschen besser und der Anflug von Enttäuschung im Hinblick auf die Corona-Regeln treten in den Hintergrund. So müssen wir uns wohl immer wieder Wege suchen, wie wir unsere Vorstellungen von Lebenslust im Kleinen umsetzen können. Ich wünsche Ihnen originelle Pläne für Ihr Wohlergehen!
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von Sabine Reichelt 29 Mai, 2023
Vielleicht müssen Sie schmunzeln, wenn Sie das Foto anschauen? Die Aufforderung, sich am Handlauf festzuhalten, scheint etwas unsinnig - wir wissen doch, wofür so ein Handlauf da ist! Es scheint mir ein gutes Sinnbild dafür zu sein, in welcher Verfassung wir sind, wenn wir vor Schock und vor Schmerz "außer uns" sind. Dann brauchen wir Hilfe und Unterstützung für die scheinbar einfachsten Dinge. Unser Hirn ist auf Not-Betrieb eingestellt, wir funktionieren eben nicht mehr automatisch. Dann könnten wir auch ein solches Hinweisschild brauchen, dass uns darauf hinweist, dass wir uns festhalten sollen, wenn wir die Treppe hinauf- oder hinabgehen. Und da, wo solche Schilder nicht hängen, passen hoffentlich liebe Menschen auf uns auf. Das wünsche ich Ihnen und mir.
02 Jan., 2023
Eva Strittmatter Anbeginn Mein Leben setzt sich zusammen: Ein Tag wie dieser. Ein anderer Tag. Glut und Asche und Flammen. Nichts gibt es, was ich beklag. Früher habe ich so gefühlt: Irgendwas Großes wird sein. Inzwischen bin ich abgekühlt: Es geht auch klein bei klein. Was soll schon Großes kommen? Man steht auf, man legt sich hin. Auseinandergenommen, Verlieren die Dinge den Sinn. Doch manchmal sind solche Stunden Von Freiheit vermischt mit Wind. Da bin ich ungebunden Und möglich wie als Kind. Und alles ist noch innen In mir und unverletzt. Und ich fühle: gleich wird es beginnen, Das Wunder kommt hier und jetzt. Was es sein soll? Ich kann es nicht sagen Und ich weiß auch: das gibt es gar nicht. Aber plötzlich ist hinter den Tagen Noch Zukunft ohne Pflicht. Und frei von Furcht und Hoffen Und also frei von Zeit. Und alle Wege sind offen. Und alle Wege gehn weit. Und alles kann ich noch werden, Was ich nicht geworden bin. Und zwischen Himmeln und Erden Ist wieder Anbeginn. Aus dem insel taschenbuch 4928 "Lektüre zwischen den Jahren"
von Sabine Reichelt 07 Sept., 2022
Ich kann nicht einmal sagen, die Monate seien schnell vorüber gegangen - so war mein Gefühl gar nicht. Nein, jeder einzelne Tag hatte eine normale Länge und ich erinnere mich an das Meiste auch ziemlich genau. Und dennoch war ich erstaunt, dass jetzt September ist und ich die ganze Zeit keinen Blog geschrieben habe. Ich schließe daraus, dass mich meine eigenen Themen umgetrieben haben müssen - und so war es auch. Und die Selbstfürsorge, die ich BesucherInnen anempfehle, musste ich tatsächlich in diesen Monaten mir angedeihen lassen. Auf meinem Balkon konnte ich verfolgen, wie die Sonne am Himmel emporstieg, wie sie tagelang vom Zenit nicht nur schien, sondern sogar brannte und alles austrocknete, und erlebe jetzt, wie der Schatten schon wieder zunimmt und die Sonne an Schärfe verliert. Und es mischen sich die vor Trockenheit herab gefallenen Blätter nach und nach mit dem naturgemäß fallendem Laub des Herbstes. Verrückt. Das Gefühl, die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren - was sage ich da? Hat man sie denn jemals besessen? - also dieses Gefühl des Kontrollverlustes ist abscheulich und Angst einflößend. Kopf und Bauch im Widerstreit. Bis wir aufgeben und es begreifen. Begreifen, dass wir unser Leben eben NICHT kontrollieren können. Wir haben zu nehmen, was uns serviert wird. Punkt. Eine herbe Lektion!
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